Die ganze Welt
schaut nach Japan und Korea, wo zur Zeit die Fussball-WM stattfindet.
Daniela Jost hat sechs Jahre lang in Tokyo gelebt und einen Hauch davon
in Form von Möbeln nach Geroldswil gebracht.
Bettina Weinberger
Zwar war die Geroldswilerin Daniela Jost letzte Woche bloss telefonisch
zu erreichen, doch wer glaubt, dass der Japan- und Korea-Fan nach Asien
gereist und vielleicht sogar and der Fussball-WM ist, liegt falsch. Jost
pendelt nämlich nicht von Stadion zu Stadion. «Ich bin nicht so
fussballbegeistert. Aber natürlich freue ich mich, wenn die japanische
oder koreanische Mannschaft ein Spiel gewinnt. Ich drücke allerdings
niemandem speziell die Daumen», erklärt sie.
Als Japanerin an
Fasnacht
Als Zehnjährige gewann Jost als Japanerin verkleidet den
ersten Preis an einer Fasnacht. Damals hätte sie nie gedacht,
dass sie eines Tages so stark von diesem Land beeinflusst werden
würde. Nach verschiedenen Jobs im kaufmännischen Bereich
führte sie ihr beruflicher Weg in den Sekretariatsdienst des
EDA. Schliesslich ging für Jost der Traum einer Arbeitsstelle
auf einer Schweizerischen Botschaft im Ausland in Erfüllung.
«Als ich nach zwei Jahren Engagement in Brüssel erfahren habe,
dass ich nach Tokyo versetzt werde, habe ich mich besonders
gefreut. Doch ich musste zuerst noch auf der Karte nachsehen, wo
genau Japan liegt», gesteht die Geroldswilerin.
Jost fühlte sich im Land der aufgehenden Sonne sofort wohl.
Obwohl sie für ihre Arbeit auf der Botschaft nicht Japanisch
beherrschen musste, belegte sie am Anfang Intensiv-Unterricht.
Es reichte, um Menu-Karten lesen und nach einem Weg fragen zu
können. «Wenn man die Sprache nicht lernt, hat man keine
Chance, sich integrieren zu können. Das ist auch so noch genug
schwierig. Als Westliche wird man nur schon wegen dem Aussehen
immer auffallen», meint Jost. Dennoch hat sie einige Japaner
kennengelernt, aus denen bestehende Freundschaften entstanden
sind und wurde sogar zu traditionellen Teezeremonien eingeladen.
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Daniela Jost: Grosser Japan- und Koreafan
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Die
Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Japaner vermisst Jost oft in
der Schweiz. «Unfreundliches Personal in Restaurants gibt es in Tokyo
nicht», erzählt sie. Und sie schätzte es, dass sie sich auf den
Strassen absolut sicher fühlen konnte. «Die Japaner sind
harmoniebedürftig, das Gruppendenken ist sehr ausgeprägt»,
beobachtete Jost. Das sei auch ein Grund, weshalb die japanischen
Touristen immer im Schwarm auftreten. «In der Schweiz hingegen schaut
jeder für sich, will sein individuelles Leben führen. Bei so vielen
Menschen, die in Tokyo leben, wäre das wahrscheinlich
unkontrollierbar», vermutet Jost.
Visitenkarte ist das A und O
Die Hierarchie ist in der japanischen Gesellschaft ein weiterer
wichtiger Punkt. Deshalb ist die Visitenkarte im Land der aufgehenden
Sonne auch für westliche Businessleute das A und O. «Wenn ein Japaner
beim ersten Treffen keine Visitenkarte erhält, wird er völlig
unsicher, denn er weiss nicht, wem er gegenübersteht und wie er sich
verhalten soll», erklärt Jost.
Ihren Mann, der zwei Jahre in Korea gelebt hatte, hat Jost in Japan
kennengelernt und auch dort geheiratet. Mit ihm teilt die 40-Jährige
ihre Faszination zur asiatischen Kultur. So ist es auch nicht
verwunderlich, dass sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat ihr Haus mit
Möbeln im traditionellen koreanische und japanischen Stil
eingerichtet haben. Und weil viele Bekannte derart begeistert waren,
beschlossen sie, koreanische Möbel, japanische Steinlaternen und Ikebanazubehör
als Nebenerwerb zu importieren und verkaufen.
Zudem hat sich die Mutter eines dreijährigen Sohnes auch von
japanischen Blumenarrangements inspirieren lassen und gibt
Ikebana-Unterricht.
«Seit wir in Geroldswil wohnen, ist alles viel kleiner und dörflicher
geworden. In Japan hatte man immer unheimlich viele Leute um sich»,
berichtet Jost, «aber wir vermissen das Leben in Tokyo und nicht
zuletzt das japanische Essen.» |